Der erste Finnlandaustausch mit Erasmus+: Auf der Suche nach dem Glück – oder warum solltet ihr an einem Austausch teilnehmen?

10 Schülerinnen und Schüler der Q1 reisen mit Tobias Korte und Anja Kroll nach Helsinki

von A. Kroll, Fotos von A. Zarnikow und A. Kroll

Der Austausch beginnt für uns schon in Deutschland: Die digitalen Medien ermöglichen es uns, die zehn Austauschpartner und zwei Kolleginnen schnell direkt zu kontaktieren und die Vorfreude auf ein persönliches Treffen zu steigern. Dank Social Media und einer Videokonferenz haben wir das Gefühl, dass wir uns schon gut kennen, bevor es richtig losgeht. Die Distanz zwischen Wuppertal und dem finnischen Järvenpää fühlt sich gar nicht mehr so groß an und auch die Verständigung auf Englisch klappt bestens.

Anfang März besucht uns die finnische Delegation in Wuppertal – bei überraschend frühlingshaften Temperaturen. Da wir unseren Gästen natürlich die Highlights der Region näherbringen möchten, entdecken wir auch selbst unsere Heimatstadt und die Umgebung neu. Viele von uns sind zum ersten Mal im gerade erst eröffneten „Schwebodrom“, das die Geschichte der Schwebebahn erzählt und eine virtuelle Fahrt durch das Wuppertal des Jahres 1927 ermöglicht. Wenig später sind wir im Neandertal zu Besuch. Der Aussichtsturm wurde auch erst vor eineinhalb Jahren fertiggestellt und so erschließt sich uns in luftiger Höhe der ursprüngliche Fundort des Neanderthalers. Im Museumscafé mit einem grandiosen Ausblick in die Natur stellen wir uns die Frage, warum wir uns solch schöne Ausflüge erst gönnen, wenn sich Besuch ankündigt. Am Ende der Woche steigen wir noch die 533 Stufen auf den Kölner Dom hoch, der als historisches Denkmal weltbekannt und sicherlich instagrammable ist.

Unser Zwischenfazit: Bereits während des Besuchs der Finnen im Bergischen lernen wir viel Neues dazu, dabei haben wir unsere eigentliche Reise noch gar nicht angetreten. Außerdem sehen wir unsere Heimat mit neuen Augen, denn die Finnen wundern sich über für uns Alltägliches: Die deutschen Schüler müssen für ihr Mensaessen bezahlen und auch Fahrstunden dürfen sie nicht bei irgendeinem Erwachsenen nehmen. Dafür wird der Fahrstil auf der Autobahn als durchaus rasant wahrgenommen.

Nach den Osterferien geht es dann mit Finnair in Richtung Helsinki. Auf dem Flug bekommen alle ein Getränk gratis, viele wählen den typischen Blaubeersaft. Am Flughafen angekommen, empfangen uns zuerst finnisches Design und Entspanntheit, dann natürlich unsere schon liebgewonnenen Austauschpartner. Ist die seltsame meditative Ruhe am Flughafen schon eine erste Erklärung dafür, dass die Finnen im World Happiness Report wiederholt zum glücklichsten Volk der Welt gekürt wurden?

Auch die Schule in Järvenpää, die ausschließlich eine Oberstufe beherbergt, fällt durch ihr wunderbares Design auf. Das Gebäude wirkt eher wie ein Parlamentsgebäude mit seinem runden Atrium und den zahlreichen stylischen Polstermöbeln. Die Schülerinnen und Schüler erhalten über digitale Chips Zugang zur Schule und hängen erst einmal ihre Jacken an der zentralen Garderobe auf. Im Unterricht arbeiten alle ausschließlich an Laptops, die Schulbücher bieten digitale Aufgaben mit sofortiger Selbstkontrolle und selbst die Abschlussprüfungen finden online statt. Gesprochen wird in den Stunden meist wenig, der individuelle Schutz- und Rückzugsraum der einzelnen Schüler, die im internationalen Vergleich eher als ruhig gelten, soll gewahrt werden. Dies gilt besonders für die freiwillig gewählten Fremdsprachen. Am Freitag ist dann Pyjamatag, auch unsere Austauschschülerinnen tragen Schlafanzughosen und freuen sich über den lässigen Wochenausklang mit Musik im Pausenzentrum.

Ein ganz besonderes Erlebnis ist sicherlich ein finnischer Saunabesuch. In unserem Fall in einer privaten Textil-Sauna mit Seeblick, die Finnen auch oft für Geburtstage buchen. Es werden Saunalieder auf Finnisch gesungen, jeder wird namentlich erwähnt und darf ein bis zwei Kellen Wasser aus einem Blecheimer schöpfen und auf die heißen Saunasteine schütten. So lässt sich auch der lange finnische Winter gut überstehen: Das Glücksrezept lautet: Wärme, Natur und Geselligkeit.

Dank Erasmus+ entstehen uns in Finnland keinerlei Kosten. Wir können eine Bootsfahrt zur Festungsinsel machen, lecker essen gehen und eine Ausstellung besuchen. Auch der Flug wird gesponsert. Dafür forschen wir zum Thema European Diversity und halten unsere Erkenntnisse für die Schulgemeinschaft fest.

Unser Fazit: Manche Erfahrungen macht ihr einfach nur, wenn ihr über den eigenen Tellerrand hinausblickt. Also traut euch und schließt neue, vielleicht sogar lebenslange Freundschaften über Erasmus+.